Fehlende berufliche Abschlüsse in verschiedenen Bevölkerungsgruppen

Einführende Erläuterungen

Der Fachdiskurs schreibt der beruflichen Ausbildung in Deutschland einen hohen Stellenwert zu, da sie auf der individuellen Ebene am Arbeitsmarkt verwertbare Qualifikationen gewährt und auf gesellschaftlicher und betrieblicher Ebene Fachkräftebedarfe sicherstellt.[1] Der neue Denkanstoß blickt auf die Personen ohne berufliche Ausbildung oder Studium und vergleicht ihren Anteil in drei verschiedenen Bevölkerungsgruppen:

  1. In der Bevölkerung ab 15 Jahren: Die statistischen Ämter des Bundes und der Länder haben in der Zensusdatenbank Angaben zu den Personen ab 15 Jahren, die (noch) keine berufliche Ausbildung/Studium abgeschlossen haben, veröffentlicht. Die Aussagekraft dieses Indikators ist eingeschränkt, da die Altersgrenze für die möglichen Ausprägungen zu tief liegt: Mit 16 Jahren kann man noch keine Ausbildung oder ein Studium abgeschlossen haben. Das heißt, ein Teil des Wertes erklärt sich über die zugrunde gelegten Alterskohorten.
  2. Bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) liegen Daten zu den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten vor. Diese Gruppe bildet den Großteil der Erwerbstätigen ab, jedoch nicht die Selbstständigen, mithelfenden Familienangehörigen oder Beamt*innen, die gemeinsam gemäß Zensus 2022 in Deutschland circa 14 % der Erwerbstätigen ausmachen.
  3. Ebenfalls berichtet die BA die Bildungsstruktur für die Arbeitslosen im Rechtskreis SGB II. Auch hier handelt es sich lediglich um eine Teilmenge der Arbeitslosen (vgl. hierzu auch den zweiten Denkanstoß).

Gemeinsamkeiten der Reviere

  • Der Anteil der Personen ohne Berufsausbildung ist im Vergleich der drei Bevölkerungsgruppen in jedem Revier bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am niedrigsten und bei den Arbeitslosen im Rechtskreis SGB II am höchsten.
  • Der Anteil bei den Arbeitslosen im Rechtskreis SGB II ist dabei überall (a) etwa zweieinhalbmal so hoch wie bei den ab 15-Jährigen insgesamt und (b) sogar fünf- bis sechseinhalbmal so hoch wie bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.

Unterschiede zwischen den Revieren

  • Im mitteldeutschen und im Lausitzer Revier liegen die Anteile derjenigen ohne berufliche Ausbildung in allen drei Personengruppen deutlich niedriger als im Rheinischen Revier und Deutschland insgesamt. 
  • Während in Deutschland und dem Rheinischen Revier die Gruppe derjenigen ohne beruflichen Bildungsabschluss zu jeweils mehr als zwei Dritteln die Arbeitslosen des SGB II bildet, sind es im mitteldeutschen und im Lausitzer Revier nur etwa die Hälfte.

Denkanstöße

  • Die unterschiedlichen Anteile der Personen ohne berufliche Ausbildung bei den Arbeitslosen im Rechtskreis SGB II sind anscheinend weniger der Tatsache geschuldet, dass das Arbeitslosigkeitsrisiko für diese Personen in den Revieren unterschiedlich ist, sondern sie spiegeln auch die unterschiedlichen Qualifikationsstrukturen in der Bevölkerung. Insbesondere im Rheinischen Revier liegen hier ausgeprägte Problemlagen vor, die Handlungsbedarfe anzeigen.
  • Die teilweisen drastischen Unterschiede der Anteilswerte zwischen den drei Bevölkerungsgruppen in der immer gleichen Rangfolge (sozialversicherungspflichtig Beschäftigte < Gesamtbevölkerung ab 15 Jahren < Arbeitslose im Rechtskreis SGB II) belegen nachdrücklich die zentrale Bedeutung der beruflichen Bildung für die Arbeitsmarktintegration und unterstreichen die politische Relevanz dieses Handlungsfeldes. 
  • Die Transformation von Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeitsmarkt erfordert ein umfangreiches Portfolio von Maßnahmen und Instrumenten. Die Grafik legt allerdings nahe, dass ähnliche oder gleiche Instrumente und Maßnahmen sich aufgrund der regional unterschiedlichen Bildungsstrukturen im Gesamtergebnis auch unterschiedlich niederschlagen werden. Eine erfolgreiche Transformationsstrategie in den Revieren muss die regionalen Besonderheiten berücksichtigen.

Datenquellen: Bevölkerung ab 15 Jahren: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Datenstand 15.05.2022. Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und Arbeitslose aus dem Rechtskreis SGB II: Bundesagentur für Arbeit, Berichtsmonat Juni 2022. Eigene Berechnung und Darstellung. 


[1] Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung (Hg.) (2024). Bildung in Deutschland 2024. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu beruflicher Bildung (1. Aufl.). Bielefeld: wbv Publikation. doi.org/10.3278/6001820iw, S. 175.

06.12.2024
Datenbasierter Denkanstoß 7 (PDF)