"Die zentrale Herausforderung im Transformationsprozess ist es, auch zukünftig gute Arbeit in der Region zu schaffen."
Ein Interview mit Jerome Schmitz, Politischer Sekretär beim DGB in der Region NRW Süd-West
1. Was ist der Deutsche Gewerkschaftsbund?
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), ist die politische Stimme seiner acht Mitgliedsgewerkschaften und den dort organisierten abhängig Beschäftigten. Zu den acht Mitgliedsgewerkschaften gehören die IG Metall, Ver.di, IG.BCE, GEW, NGG, IG BAU, EVG und GdP. Liegt der Aufgabenschwerpunkt der Mitgliedsgewerkschaften in der betrieblichen sowie tariflichen Interessenvertretung der Kolleg*innen, so kann die Rolle des DGB als politischer Arm der Gewerkschaftsbewegung verstanden werden. Die DGB-Jugend ist die Vertretung aller Mitglieder unter 27, aller Auszubildenden, Schüler*innen und Student*innen. Als Jugendbildungsreferent in der DGB Region NRW Süd-West arbeite ich für die DGB-Jugend hier in der Region, zu der die Kreise Heinsberg, Düren und Euskirchen sowie die Städteregion Aachen gehören. In meiner Funktion vertrete ich die Interessen unserer jungen Mitglieder gegenüber der Politik und organisiere politische Veranstaltungen und Bildungsangebote für diese. Ziel des DGB ist die Schaffung von politischen Rahmenbedingungen, bei der gute Arbeitsbedingungen, faire Löhne und demokratische Mitbestimmung in den Betrieben unumgänglich sind.
2. Der Strukturwandel im Rheinischen Revier bringt sowohl ökonomische als auch ökologisch und soziale Transformationsprozesse mit sich. Welche Fragen und Herausforderungen stellen sich dem DGB hinsichtlich der eigenen Themenschwerpunkte?
Die zentrale Herausforderung im Transformationsprozess ist es, auch zukünftig gute Arbeit in der Region zu schaffen. Bisher gibt es im Rheinischen Revier viele Betriebe –sei es in der Metall- und Elektroindustrie, in der Papierindustrie, der Energiebranche oder chemischen Industrie - die nicht nur gute Löhne zahlen und in der die demokratische Mitbestimmung der Kolleg*innen Alltag ist, sondern in denen auch hervorragende Ausbildungsbedingungen vorherrschen. Die ökologisch über alle Zweifel erhabene und zwingend notwendige Transformation stellt jedoch derzeit die Perspektive für diese Betriebe und damit auch für die dortigen Arbeitsplätze in Frage. Arbeits- und Ausbildungsplätze in mitbestimmten Unternehmen mit guten Arbeits- und Ausbildungsbedingungen, sind jedoch ein erheblicher Faktor, warum junge Menschen in der Region bleiben, Perspektive sehen, Wurzeln schlagen und damit die Städte und Dörfer hier im Rheinischen Revier mit Leben füllen. Es gilt die Unternehmen, die ökologisch transformbierbar sind zu fördern und für die Arbeitsplätze, die im Transformationsprozess - vor allem durch das Ende der Braunkohleverstromung - wegfallen, neue zukunftsfähige und gute Industriearbeits- und ausbildungsplätze zu schaffen.
3. Welche Chancen sieht der DGB im Strukturwandel?
Die große Chance im Transformationsprozess liegt aus Sicht des DGB darin, die Region nicht nur als Modellregion für ökologisch nachhaltige und CO2-neutrale Produktion zu etablieren, sondern auch das Thema Mitbestimmung für die Arbeitswelt wieder mit in den Mittelpunkt zu rücken. Hierfür lohnt es sich im Rheinischen Revier sich der lokalen Tradition des „Rheinischen Kapitalismus“ wieder verstärkt zuzuwenden, welche über Jahrzehnte als Vorbildcharakter über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus diente. Die Transformation muss als Chance begriffen werden, endlich eine Tarif- und Mitbestimmungswende hier in der Region einzuläuten, um Wirtschaft demokratischer zu gestalten. Bei zukünftigen Ansiedlungen im Rheinischen Revier muss sichergestellt werden, dass diese die Rahmenbedingungen von Tarifbindung und Mitbestimmung erfüllen. Alle Berufsschulen im Rheinischen Revier müssen aus Sicht des DGB das Commitment abgeben sich nicht nur für Berufsberatung, Arbeitgeberverbände und Kammern, sondern auch für Gewerkschaften zu öffnen und Arbeitgeber dürfen Berufsschulen für die Zusammenarbeit nicht unter Druck setzen. Die Transformation bietet die Möglichkeit, Arbeit demokratischer und partizipativer zu gestalten, damit nicht wenige, sondern wir alle von ihr profitieren – ökologisch, ökonomisch und demokratisch.
Jerome Schmitz ist 32 Jahre alt und studierte Politikwissenschaft und Angewandte Geografie an der RWTH Aachen. Bevor er beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) arbeitete, war er bei einem Eisenbahnverkehrsunternehmen im Rheinischen Revier tätig. Seit Juli 2022 war er als Jugendbildungsreferent beim DGB in der Region NRW Süd-West tätig und seit Dezember 2023 ist er in neuer Funktion Politischer Sekretär beim DGB in derselben Region und betreut u.a. den DGB-Kreisverband Heinsberg.